Forschungsprojekt zu kirchlichen Heimen in Tirol nach 1945 zeigt Gewalt in Kinderheimen auf.
Unter dem Titel „Demut lernen“ veröffentlichten das Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck und das Wissenschaftsbüro Innsbruck das Forschungsprojekt zur Kindheit in den kirchlichen Heimen in Tirol nach 1945. Das Projekt wurde von der „Dreierkommission Martinsbühel“ in Auftrag gegeben, die 2019 vom Land Tirol, der Diözese Innsbruck und VertreterInnen der Ordensgemeinschaften eingesetzt wurde. Der 2022 veröffentlichte Abschlussbericht umfasst neben Martinsbühel sechs weitere Heime. Am 17. Februar 2025 wurde das nun vorliegende Buch präsentiert. Im Beisein von LRin Eva Pawlata und Bischof Hermann Glettler berichteten Kommissionsvorsitzende Margret Aull, Projektleiter Dirk Rupnow, die wissenschaftlichen AutorInnen Ina Friedmann und Friedrich Stepanek sowie sieben Betroffene über Vorkommnisse in den Heimen.
Unrechtserfahrungen Gehör verschaffen
„Alle Demütigungen, die zugefügt wurden, erschüttern mich zutiefst. Ich bitte alle Betroffenen um Vergebung. Die Kirche sei sich ihrer Verantwortung bewusst“, so Bischof Glettler. Bis dato wurden von kirchlichen Einrichtungen auf dem Gebiet der Diözese Innsbruck rund 7,6 Millionen Euro an finanzieller Hilfe aufgewandt.
75 Interviews durchgeführt
Ursprünglich hatte die „Dreierkommission Martinsbühel“ das Ziel, die Vorkommnisse rund um das Kinderheim Martinsbühel aufzuarbeiten. „Im Zuge der Aufarbeitung wurde festgestellt, dass Bedarf für eine Untersuchung weiterer Einrichtungen besteht. Aus diesem Grund haben wir das Forschungsprojekt ausgeweitet“, berichtet Vorsitzende Margret Aull. So wurden während der rund zweijährigen Forschungstätigkeit die Heime Martinsbühel, Scharnitz, das Josefinum/Volders, die Bubenburg/Fügen, St. Josef/Mils, Thurnfeld/Hall und das Elisabethinum/Axams untersucht.
Weiters wurden 75 ZeitzeugInnen interviewt. „Die Schilderungen der Interviewpartnerinnen und -partner machen deutlich, dass gewaltgeprägte Atmosphäre vorherrschte“, so Aull. Neben der strukturellen Gewalt berichteten die Befragten auch von psychischer, physischer und sexualisierter Gewalt.
Lehren für Gegenwart und Zukunft
Seit den damaligen Geschehnissen wurden auch auf Landesebene zahlreiche Maßnahmen gesetzt, darunter die Einrichtung einer Kinder- und Jugendanwaltschaft sowie die Einführung von Vertrauenspersonen.
Zum Nachlesen
Der knapp 400-seitige Abschlussbericht ist unter www.tirol.gv.at/martinsbuehel, der Website der Diözese Innsbruck und der Website der Universität Innsbruck abrufbar. Das Buch „Demut lernen“ erschien im Dezember 2024 beim Studien Verlag und ist im Buchhandel erhältlich.
Medien
© Land Tirol/Dorfmann - Die wissenschaftlichen AutorInnen Ina Friedmann und Friedrich Stepanek.
© Land Tirol/Dorfmann - Dirk Rupnow, Dekan der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Innsbruck.
© Land Tirol/Dorfmann - „Die Schilderungen machen deutlich, dass eine gewaltgeprägte Atmosphäre vorherrschte“, berichtet Kommissionsvorsitzende Aull.
© Land Tirol/Dorfmann - „Alle Demütigungen, die zugefügt wurden, erschüttern mich zutiefst“, so Bischof Glettler.
© Land Tirol/Dorfmann - V. l.: Projektleiter Dirk Rupnow, LRin Eva Pawlata, die wissenschaftlichen AutorInnen Ina Friedmann und Friedrich Stepanek, Kommissionsvorsitzende Margret Aull und Bischof Hermann Glettler.