01.03.2022Lombardei

Die Rückkehr zu traditionellen Kulturen treibt die Entwicklung der Bergregionen voran, erfordert aber eine angemessene fachliche Unterstützung: Roggen im Vallecamonica

Eine multifunktionale Landwirtschaft kann für die nachhaltige Entwicklung der Berggebiete im Alpenraum von strategischer Bedeutung sein. Traditionelle Kulturpflanzen wie Getreide, das in den Alpen seit dem Neolithikum angebaut wird, haben wichtige Entwicklungsprozesse in Gang gesetzt.

Ein Beispiel ist der Roggen im Vallecamonica, wie in einer Studie des Exzellenzclusters UNIMONT der Universität Mailand dargelegt wird (https://www.mdpi.com/2071-1050/13/24/13818/htm).

Einer neuer Aufschwung für Randgebiete auf der Grundlage der traditionellen Landwirtschaft

Der Prozess der Teilhabe gewinnt für die Erhaltung von Artenvielfalt und Agrobiodiversität, insbesondere in vulnerablen Gebieten wie den Bergregionen, in denen keine intensive Landwirtschaft betrieben werden kann, immer größere Bedeutung. Dort wird die Landwirtschaft oft als fundamental gesehen für die erneute Nutzung brachliegender Flächen und die Anbahnung eines Prozesses der Wiederbelebung von Regionen in Randlagen. Hier widmen sich sehr viel häufiger so genannte Newcomer, also aus städtischen Gebieten kommende Menschen oder Personen, die ein oder zwei Generationen später die Bewirtschaftung des Familienbetriebs wieder aufnehmen, der landwirtschaftlichen Tätigkeit. Die Randgebiete gewinnen so in den Augen der Einheimischen oder der aus der Stadt stammenden Menschen, die sich dort niederlassen, eine neue Bedeutung; sie wollen dort auf die vor Ort vorhandenen Ressourcen setzen und nachhaltig leben und wirtschaften. Da diese Landwirte aber oft Quereinsteiger sind, die eine Low-Input-Landwirtschaft betreiben wollen, wird die fachliche Fortbildung grundlegend wichtig.

Das Erfordernis gezielter fachlicher Unterstützung

Der zur Universität Mailand gehörende Exzellenzcluster UNIMONT hat die Beteiligung an zwischen 2016 und 2021 (vom Cluster selbst) durchgeführten Seminaren über Getreideanbau untersucht und darüber hinaus Ertrag und Qualität des im Anschluss an örtliche Teilhabeprojekte wie  „Krisensichere Landschaften“ - ein Projekt der Bioregion (federführend) in Zusammenarbeit mit der Talgemeinschaft und dem Naturpark Adamello - im Vallecamonica angebauten Roggens analysiert.

Die Seminare verzeichneten eine wachsende Teilnehmerzahl, die das zunehmende Interesse von Personen ohne einschlägige Vorbildung in Land- und Forstwirtschaft für diese Art der landwirtschaftlichen Tätigkeit bestätigt; ihr Anteil betrug anfangs 50 Prozent und ging bis 2021 auf 15 Prozent zurück, wo wieder mehr Berufslandwirte teilnahmen. Gründe dieser Entwicklung sind wahrscheinlich die Verpflichtung zur Teilnahme an Fortbildungen für ausgebildete Land- und Forstwirte sowie gezielte Projekte für die Aus- und Weiterbildung in der Landwirtschaft wie das von der Region Lombardei geförderte Projekt für ländliche Entwicklung CereAlp. Das Projekt umfasst Praxisunterweisungen und die Vermittlung von Kenntnissen über derzeit in der Lombardei angebaute Getreide- und Pseudogetreidearten sowie Arzneipflanzen. Festgestellt wurde des Weiteren eine Zunahme der Online-Beteiligungen, was die Wichtigkeit von smarten Technologien für die Verringerung der Nachteile von Berggebieten durch ihre Randlage und die Überwindung von schweren Krisen wie der Coronapandemie bestätigt.   

Mit Blick auf seinen Nährwert erwies sich der regional produzierte Roggen auch hinsichtlich des Gehalts an Mykotoxinen als vergleichbar mit den im Handel erhältlichen Sorten. Im Vergleich zu Letzterem wies er jedoch - bedingt wahrscheinlich durch Unterschiede in der Anbautechnik und beim Saatgut - stärkere Schwankungen beim Gehalt an Sekundärmetaboliten auf; diese Unterschiede führten zudem zu schwankenden Erträgen zwischen 4 dt/ha und 30 dt/ha, im Gegensatz zum Bezugsertrag, der laut Literatur bei 18 dt/ha bis 35 dt/ha liegt. Aus der Spanne bei den Erträgen lässt sich erkennen, dass einige Berglandwirtschaftsbetriebe eine zufriedenstellende Produktionsleistung aufweisen, die sich mit den in der Literatur genannten Erträgen vergleichen lässt. Diese Sachverhalte bestätigen offenkundig, dass die landwirtschaftlichen Betriebe in den Bergregionen der Herausforderung einer Rückkehr zur Landwirtschaft in Gebieten in Randlagen gewachsen sind. Vorbild für die weniger produktiven Betriebe müssen die produktiveren Betriebe sein, mit denen sie sich auseinandersetzen können, um ihre Leistung zu verbessern. Es ist daher sehr wichtig, die Landwirte und Projektinitiativen sowie die Fortbildungs- und Lernangebote vor Ort miteinander zu vernetzen

Die Bedeutung der Regionalplanung für die Förderung der Entwicklung vor Ort

Die Ergebnisse belegen die Bedeutung der Regionalplanung und der Rolle, die mittlere und höhere Bildungsabschlüsse in der Landwirtschaft für die ländliche Entwicklung und eine nachhaltige landwirtschaftliche Produktion spielen können. Die Hochschulen müssen einen Wandel vollziehen von hierarchisch strukturierten hin zu auf Teilhabe basierenden Organisationen; aus agrarwissenschaftlichen Hochschulen müssen Hochschulen für ländliche Entwicklung werden, denn nur so können sie entscheidend auf die Situation vor Ort einwirken. Die Ergebnisse zeigen des Weiteren auf, dass für eine nachhaltige Entwicklung der Berggebiete in Randlagen eine enge Zusammenarbeit mit den Verwaltungen in den Regionen und, ganz allgemein, mit den Stakeholders dort erforderlich ist.

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