Der Schutzstatus des Wolfes muss international dringend abgesenkt werden. Diese Forderung richtet Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber an den Rat der Europäischen Union.
Die neu gewählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die künftige EU-Kommission bittet Kaniber dabei weiter um Unterstützung. Die Kommission hatte sich letzten Dezember für eine Absenkung des Schutzstatus ausgesprochen. Die Bundesregierung müsse sich im Europäischen Rat für die Absenkung aussprechen und dürfe nicht länger blockieren, wie Kaniber heute bei der Hauptalmbegehung auf der Soila-Alm bei Oberammergau forderte.
Die Rückkehr der großen Beutegreifer treibe die bayerischen Alm- und Alpbauern um und zwinge immer mehr von ihnen zum Aufgeben. „Die Lernkurve beim Bund ist hier unterschiedlich ausgeprägt und in Summe zu flach“, stellte Kaniber fest: „Während Frau Ministerin Baerbock von den Grünen in einem Reisehinweis vor der großen Bärenpopulation im Trentino warnt, scheint für Frau Ministerin Lemke bei den Raubtieren alles in bester Ordnung zu sein. Die Touristen warnt man in Berlin, die hier lebenden Menschen lässt man allein“, sagte Kaniber an die Bundesumweltministerin gerichtet.
Die Wolfspopulation in Deutschland wächst rasant. Sie verdoppelt sich im Schnitt alle drei Jahre. Der Druck auf die Weidetierhaltung durch Nutztierrisse steige rapide. Gleichzeitig schadet der Wolf der Biodiversität auf den Almen und Alpen. „Wir wollen der Landwirtschaft und der Biodiversität helfen. Das geht aber nicht mit Wolf. Eine Koexistenz mit dem Wolf ist möglich, aber sie ist nicht friedlich und sie hat Folgen. Das Problem beginnt nicht erst mit dem Riss. Mir haben Bauern geschildert, wie sie ihre Tiere verloren haben, die in Panik in den Bergen zu Tode gekommen sind.“
Bei der Absenkung des Schutzstatus des Wolfes müsse die Ampel ihren Widerstand aufgeben. Außerdem müsse die Bundesregierung unbedingt den günstigen Erhaltungszustand für ganz Deutschland feststellen. „Wir brauchen eine Bestandsregulierung oberhalb dieses Erhaltungszustands. Unsere europäischen Nachbarn machen das vor. Ich wünsche mir von Frau Bundesministerin Lemke hier deutlich mehr“, so die bayerische Agrarministerin. Und weiter: „Wer Wölfe wirklich schützen will, muss die Frage beantworten, wie viele dieser Raubtiere ein dicht besiedeltes Land verträgt. Wer dazu schweigt, dem sind die Menschen egal, oder die Wölfe, oder beide.“
Kaniber, die auch Bayerische Tourismusministerin ist, lobte in ihrer Ansprache die Leistungen der Almbäuerinnen und Almbauern und deren Bedeutung für den Tourismus in Bayern: „Sie erhalten durch ihre Arbeit den Alpenraum, dieses Aushängeschild bayerischer Kulturlandschaft. Damit dies auch weiterhin möglich ist, muss die Politik den Bergbauernbetrieben eine klare Zukunftsperspektive geben.“ Und die Ministerin benannte gleich die Gefahren, die der Almwirtschaft drohen. Die von vielen klein strukturierten Bergbauernbetrieben praktizierte Form der Kombinationshaltung von Rindern, also die Anbindehaltung in der weidefreien Zeit in Kombination mit sommerlichem Weidegang, soll nach dem Willen der Bundesregierung bald nicht mehr zulässig sein. Von dem geplanten Verbot der Anbindehaltung wären in Bayern rund 10 000 Familienbetriebe betroffen. Die Anbindehaltung soll künftig nur noch bei Betrieben mit maximal 50 Rindern zulässig sein, wenn die Rinder während der Weidezeit Zugang zu Weideland haben und ihnen zusätzlich in der weidefreien Zeit zweimal wöchentlich Auslauf gewährt wird. Aber genau dieser „Winterauslauf“ stellt viele Betriebe vor nicht lösbare Herausforderungen. Kaniber appellierte an Bundesumweltministerin Lemke als Vertreterin der Bundesregierung: „Die Änderungen werden wieder einmal die kleineren Betriebe treffen, die wir in Bayern und angeblich auch die Bundesregierung erhalten wollen! Die Ampel muss das Tierschutzgesetz zurückziehen und völlig neu auflegen.“ Kaniber wies darauf hin, dass auch die Almwirtschaft auf Jungrinder aus Betrieben mit Anbindehaltung angewiesen sein. „Schließen die Talbetriebe, ist das der Todesstoß für viele Almen im Alpenraum. Das wäre auch katastrophal für den Tourismus.“
Die traditionelle Hauptalmbegehung fand heuer in Oberammergau im Bereich des Labers statt. Der Almwirtschaftliche Verein Oberbayern (AVO) sowie die Gemeinde Oberammergau (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) hatten öffentlich zur wichtigsten almwirtschaftlichen Veranstaltung des Jahres geladen. Bei der Hauptalmbegehung macht der AVO auf die Probleme der Almwirtschaft aufmerksam. Außerdem werden einer breiten Öffentlichkeit die Leistungen und Schönheit der Almwirtschaft präsentiert.