14.04.2021Trentino

Rehwild: Auswirkungen des Klimawandels und Rolle des Gedächtnisses bei der Futtersuche

Scientific Reports und PNAS sind zwei angesehene wissenschaftliche Fachzeitschriften, die vor Kurzem zwei wichtige Forschungsarbeiten der Stiftung Edmund Mach (Fondazione Edmund Mach FEM) in San Michele dell’Adige im Trentino veröffentlicht haben

Das Klima im Trentino ändert sich und das Rehwild im Trentino wandert in größere Höhen. In Scientific Reports wurde eine Studie publiziert, in der die Verbreitung von Rehen in den Trentiner Bergregionen in den nächsten Jahrzehnten (bis 2070) vor dem Hintergrund der Auswirkungen des Klimawandels prognostiziert wird.

Erkennbar wird das Bild der zukünftigen Tierwanderungen, über, dass die Forscher dank der herausragenden Möglichkeiten, die Bewegung der Wildtiere über Jahrzehnte zu verfolgen, verfügen. Es handelt sich um die Daten des Fachbereichs für Agronomie, Tiere, Nahrungsmittel, natürliche Ressourcen und Umwelt der Universität Padua vom Beginn des laufenden Jahrhunderts um die jüngeren Ortungen von GPS-Halsbändern, die von der Stiftung Edmund Mach erhoben wurden. Die Daten wurden mit einer von Meteotrentino entwickelten Klimaprojektion verknüpft, wodurch die Schneehöhen am Boden für die nächsten 50 Jahre geschätzt werden konnten. Die Studie, die sich auf den Naturpark Adamello-Brenta und die umliegenden Gebiete im Rendenatal und Judikarien bezieht, weist nach, dass die Schneedeckengrenze dann in größerer Höhe liegen wird.

Das Rehwild, das nicht angepasst ist, um sich im Tiefschnee fortzubewegen und zu äsen, könnte zukünftig dauerhaft größere Höhen als die derzeitigen besiedeln und wird wahrscheinlich nicht mehr halbjährlich zwischen Winter- und Sommereinständen wandern wechseln.

“Auf innovative und außergewöhnliche Art und Weise“, so die Wissenschaftlerin Cagnacci, „haben wir die Daten über das tatsächliche Verhalten genutzt, um die Zukunft unserer im Gebirge, einem für den Klimawandel und die Eingriffe des Menschen besonders anfälligen Lebensraum, lebenden Arten zu erfassen. Die Berücksichtigung der Variablen wird es uns dabei ermöglichen, unsere Alpen als kostbare Quelle der Artenvielfalt und Grundlage unserer Gesundheit zu erhalten.“

https://www.nature.com/articles/s41598-021-86720-2

Im Mittelpunkt der zweiten in PNAS veröffentlichten Studie steht die Rolle des Gedächtnisses der Rehe bei der Suche nach Nahrung. Bis heute war nicht klar, ob die Äsung der Großsäuger vom Gedächtnis oder der Wahrnehmung des Vorhandenseins von Nahrung gesteuert wird. Mit der vor Kurzem von der Stiftung Edmund Mach in den Wäldern des Cembratales (Trentino) durchgeführten Studie konnten die kognitiven Prozesse bei der Suche nach Nahrung bei den Huftieren geklärt werden und es konnte nachgewiesen werden, dass das Auffinden von Äsung vorwiegend das Ergebnis der Erinnerung an vorangegangene Erfahrungen ist.

Achtzehn Rehe wurden im Zuge eines Versuchs mit manipulierter Nahrungsverfügbarkeit mit einem Halsband mit GPS-Sendern ausgestattet. Die durch mathematische Modelle gestützte empirische Untersuchung wurde in einem Gebiet durchgeführt, in dem eine regulierte Fütterung des Schalenwilds vorgenommen wird. Die Forscher veränderten den Zugang zum Futterangebot (Mais) experimentell, indem sie die Krippen mit Holzbrettern versperrten, das Futter aber im Innern beließen, sie dann aber wieder öffneten und so für zwei Wochen eine kontinuierliche Versorgung sicherstellten.

Mit diesem einfachen Trick nahmen die Rehe zwar jederzeit den Geruch des Futters wahr, konnten es jedoch nicht fressen. Mit dem mathematischen Modell konnte nachgewiesen werden, dass sich die Rehe während der zweiwöchigen Schließung nur fünf Prozent der Zeit im Bereich um diese Futterstellen aufhielten. Eine kurze Zeit im Vergleich zu den zwei Wochen vor der Schließung, in der die Rehe 31 Prozent der Zeit in der unmittelbaren Umgebung der Futterstellen umherstreiften.

„Wäre der Aufenthalt an den Futterstellen“, so die Erklärung der Forscher, „von der Wahrnehmung des Futters, die während der Schließung ja unverändert geblieben war, gesteuert worden, wäre kein so deutlicher Rückgang beobachtet worden; dieser weist daher auf einen gedächtnisbasierten kognitiven Prozess bei den Entscheidungen zur Äsungssuche hin. Nach der erneuten Öffnung der Krippen kehrte das Schalenwild an dieselben Stellen zurück, obwohl in der Nähe andere Futterstellen vorhanden waren.“

Damit konnten die Rolle des Gedächtnisses bei der Futtersuche und die Präferenz für bekannte Standorte bestätigt werden. Dieser als „Familiarität.“ bekannte Prozess war bereits in einer früheren Publikation der Forschergruppe herausgestellt worden. Nach den Autoren der Studie ist ein umfassendes Verständnis der Prozesse, durch die die Tiere auf Veränderungen der Umwelt wie beispielsweise der Verfügbarkeit von Nahrung reagieren, von grundlegender Bedeutung für die Entwicklung von Strategien für die Erhaltung und das Management der Fauna, und dies auch und gerade vor dem Hintergrund des laufenden schnellen Klimawandels.

Weitere Einzelheiten unter https://www.pnas.org/content/118/15/e2014856118.short?rss%3D1 sowie in Scientific Reportshttps://www.nature.com/articles/s41598-020-68046-7 Animals https://www.mdpi.com/2076-2615/10/11/2088

 

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