Spitzenforschung in Davos: Neues Zentrum geht Klimawandel und Naturgefahren im Alpenraum auf den Grund
Der Kanton Graubünden und die Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL gründen ein neues Forschungszentrum mit bis zu 40 Mitarbeitenden in Davos.
Ab Januar 2021 sollen darin gesellschaftliche und wirtschaftliche Fragen zu Klimawandel, Extremereignissen und Naturgefahren im Gebirgsraum erforscht werden. Die ETH Zürich beteiligt sich mit zwei Professuren.
Der globale Klimawandel schreitet voran – darin sind sich führende Wissenschafterinnen und Wissenschafter weltweit einig. Dies beeinflusst Wetterextreme und Naturereignisse im Alpenraum besonders stark, denn hier fällt die Erwärmung doppelt so hoch aus wie im globalen Durchschnitt. Die Folge können Überschwemmungen, Murgänge und Hangrutsche sowie lange Trockenheitsperioden im Sommer sein. Solche Ereignisse können soziale und wirtschaftliche Folgen haben, wie etwa der Bergsturz und die anschliessenden Murgänge in Bondo im Bergell gezeigt haben.
Deshalb hat die Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, die mit ihrem WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF und rund 140 Mitarbeitenden bereits in Davos verankert ist, zusammen mit der Bündner Regierung nach Wegen gesucht, um den Themen Klimawandel und Naturgefahren im Alpenraum zusätzliches Gewicht zu verleihen. Auch die ETH Zürich beteiligt sich am Aufbau eines international ausstrahlenden Forschungszentrums in Davos. Die entsprechenden Finanzierungsentscheide haben alle Beteiligten bis Anfang Juni getroffen.
Zwei neue Professuren und 40 neue Arbeitsplätze
"Wir brauchen neues Wissen und innovative Lösungen für einen wirkungsvollen Umgang mit Naturgefahren. Nur so können Menschen in Gebirgsräumen leben und nachhaltig wirtschaften", erklärte Jürg Schweizer, Leiter SLF anlässlich der Medienkonferenz vom 12. Juni 2020, an welcher die Kooperation erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Das geplante Zentrum soll sechs Forschungsgebiete und darin zwei neue Professuren umfassen, die von der WSL und der ETH Zürich gemeinsam getragen werden. "Unsere international profilierte Klima- und Umweltforschung bietet Gewähr, dass die zwei geplanten Doppelprofessuren mit der WSL von einem starken Netzwerk profitieren. Gleichzeitig vertiefen wir das Wissen über die Auswirkungen des Klimawandels auf das für die Schweiz zentrale Berggebiet", sagte ETH-Präsident Joël Mesot.
Während in der einen Professur alpine Massenbewegungen und Permafrost erforscht werden sollen, widmet sich die zweite Professur den Auswirkungen des Klimawandels auf die Bergregionen. Weitere Forschungsthemen sind Frühwarnung, Gebirgsökologie und Schutzwald sowie Risikokommunikation und Resilienz, also die Fähigkeit mit Naturgefahren umzugehen sowie die Verwundbarkeit zu reduzieren. Über die Basisfinanzierung sollen in dem neuen Zentrum bis zu 40 neue Arbeitsplätze entstehen.
72 Millionen Franken für die ersten zwölf Jahre
Die Basisfinanzierung für die ersten zwölf Jahre von 2021 bis 2032 beträgt pro Jahr rund sechs Millionen Franken. Davon trägt der Kanton Graubünden jährlich zwei Millionen, die WSL drei Millionen und die ETH Zürich beteiligt sich mit jährlich einer Million Franken. Diese Mittel sichern den Grundbetrieb, mögliche Wachstumspläne sollen ab 2023 über Drittmittel finanziert werden.
Das Forschungszentrum wird noch dieses Jahr formell gegründet und nimmt am 1. Januar 2021 seinen Betrieb als Teil der WSL auf. Es wird in den Räumen des SLF in Davos angesiedelt, wo diesen Sommer die Arbeiten an einem Erweiterungsbau starten. "Die WSL ist regional verankert und forscht seit langem zu Gebirgsthemen wie Lawinen oder Steinschlag. Sie ist bei den Anwenderinnen und Anwendern der Forschungsresultate anerkannt, was für den Wissenstransfer zentral ist", betonte WSL-Direktor Konrad Steffen.
Erste Massnahme der Innovationsstrategie Graubünden
Das Zentrum wird eine erste sichtbare Massnahme im Rahmen des Regierungsprogramms 2021-24 und untermauert die im letzten Jahr verabschiedete Innovationsstrategie Graubünden. "Der Forschungsstandort Davos wird durch die Schaffung von bis zu 40 hochqualifizierten Stellen nachhaltig ausgebaut", erklärte der Vorsteher des Departements für Volkswirtschaft und Soziales, Regierungsrat Marcus Caduff. Damit soll der Wissens- und Technologietransfer für die regionale Wirtschaft und die kantonale Verwaltung gestärkt werden – verbunden mit dem konkreten Anspruch, Graubünden, aber auch andere Gebirgsregionen, als attraktive, lebenswerte und sichere Lebensräume zu erhalten.
Das Forschungszentrum ist aber nicht nur aus Innovationssicht relevant für Graubünden, sondern es unterstützt auch die Umsetzung der kantonalen Hochschul- und Forschungsstrategie. Regierungsrat Jon Domenic Parolini, Erziehungs-, Kultur und Umweltschutzverantwortlicher in der Bündner Regierung betonte: "Das neue Forschungszentrum leistet einen wichtigen gesellschaftlichen, volkswirtschaftlich und bildungspolitischen Beitrag zur Weiterentwicklung unseres Kantons."