Bergwiesen und Bergweiden sind als Agroökosysteme ein bedeutendes Kulturgut und ein wichtiger Lebensraum; seit Jahrhunderten sind sie charakteristisch für die alpine Landschaft und sind ein Faktor in ihrem touristischen Erfolg.
Weiden und Wiesen sind halbnatürliche Systeme, deren Ursprung auf die Jungsteinzeit zurückgeht. Sie erfordern eine regelmäßige Pflege durch den Menschen: Mahd, Düngung, bisweilen Bewässerung, Weidehaltung von Nutztieren und Entfernung von Buschwerk. In Abhängigkeit von der jeweiligen Bewirtschaftungspraxis und der biogeografischen Region entsteht durch diese Maßnahmen eine charakteristische Zusammensetzung der Flora der unterschiedlichen Typen von Bergwiesen. Aufgrund der Abwanderung des Menschen aus den Berggebieten ist das Gleichgewicht dieser Ökosysteme heute jedoch massiv bedroht und sie verschwinden immer schneller. Die Folge ist die schrittweise Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung und daher das Vordringen des Waldes auf Flächen, die bisher Almen waren.
Aufgrund ihrer biologischen und landschaftspflegerischen Bedeutung hat die Europäische Union Bergwiesen und -weiden in die Liste der nach der FFH-Richtlinie (92/43/EWG), der wichtigsten europäischen Naturschutzrichtlinie, zu schützenden Ökosysteme aufgenommen. Um erfolgreich sein zu können, brauchen solche Schutzmaßnahmen jedoch die Mitwirkung zahlreicher Akteure mit unterschiedlichen Rollen und unterschiedlichem Fachwissen, die in der Lage sein müssen, leicht und verständlich miteinander zu kommunizieren. Zu den wichtigsten Akteuren des Prozesses gehören die Botaniker, die dank pflanzensoziologischer Tabellen die botanischen Merkmale von Bergwiesen und –weisen definieren können.
Die von den Botanikern und Pflanzensoziologen erstellten Vegetationsaufnahmen sind äußerst informativ, für Fachleute aus anderen Gebieten wie Agronomen, Fortwissenschaftler und Landschaftsarchitekten aber bisweilen schwer verständlich. Pflanzensoziologische Tabellen sind in der Tat sehr lang, enthalten die Abundanz-/Dominanzskalen aller Arten und erschließen sich einem Nicht-Botaniker nicht unmittelbar.
Vor diesem Hintergrund ist die Entstehung des Projekts eines Forschungsteams des Exzellenzcluster UNIMONT in Edolo – CRC Ge.S.Di.Mont – zu sehen; es soll ein benutzerfreundliches Tool entwickelt werden, das die von den Botanikern gesammelten Daten über Flora und Vegetation in hilfreiche und verständliche Informationen für die mit der Formulierung von Leitlinien für die Pflege, Erhaltung und Wiederherstellung des alpinen Graslands zuständigen Fachleute übersetzt. Das Tool – eine Software auf Excel-Vorlage – wurde mit Daten aus dem Studiengebiet Valle Taleggio entwickelt. VegeT („Vege“ = Vegetation, „T“ = Typ) ermöglicht es, Bergwiesen und –weiden anhand ihrer mit botanischen Kennzahlen charakterisierten Vegetation zu klassifizieren und daraus Empfehlungen für ihre Pflege abzuleiten.
So kann ein Gebiet beispielsweise aufgrund seiner Vegetation den Kategorien Wiese, Wiese-Weide, Buschland oder Wald und den Kategorien hyperoligotroph, oligotroph, mesotroph, eutroph und hypereutroph zugeordnet werden. Die erste Gruppe von Kategorien liefert Hinweise für Maßnahmen wie Entfernung von Buschwerk und Mahd oder über den Grad der Aufgabe der Bewirtschaftung und das daraus folgende Vorrücken des Waldes in dem betreffenden Gebiet; aus der zweiten Gruppe von Kategorien lässt sich ableiten, ob stärker oder weniger stark gedüngt werden sollte. Oligotrophe oder mesotrophe Flächen sollten beispielsweise stärker gedüngt werden, um Arten zu erhalten, die nährstoffreichere Böden erfordern; eutrophe Almflächen, wie sie sich in einigen intensiv bewirtschafteten Gebieten oder in Gebieten mit sehr langen Weidezeiten finden, sollten hingegen weniger gedüngt werden.
Die VegeT-Software kann mit anderen Tools verknüpft werden; so können Projekte im Bereich der Erhaltung bzw. Wiederherstellung von Bergwiesen und Bergweiden unterstützt und optimiert werden. Diese Flächen sind ein Schatz an Artenvielfalt und grundlegende Ressource für einige einzigartige, qualitativ hochwertige Ketten in der Nahrungsmittelproduktion (wie zum Beispiel Honig und Käse); sie fördern die nachhaltige Entwicklung von Berggebieten wie dem Valle Taleggio, das früher ein wichtiges Zentrum nachhaltiger und umweltschonender Landwirtschaft wie der Viehzucht war.