Obwohl 29 Prozent der Fläche der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Berggebiete sind und 13 Prozent ihrer Bevölkerung dort leben (EUA 2010), fehlt in der europäischen Politik eine umfassende Strategie mit dem Ziel einer Förderung und richtigen Einschätzung der vorrangig erforderlichen…
Obwohl 29 Prozent der Fläche der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Berggebiete sind und 13 Prozent ihrer Bevölkerung dort leben (EUA 2010), fehlt in der europäischen Politik eine umfassende Strategie mit dem Ziel einer Förderung und richtigen Einschätzung der vorrangig erforderlichen Maßnahmen, um die nachhaltige Entwicklung der Berggebiete voranzubringen. Der zur Universität Mailand gehörende Exzellenzcluster UNIMONT hat mit Unterstützung der Region Lombardei und ihrer Generaldirektion für Gebietskörperschaften, Berge und kleine Gemeinden (https://www.unimontagna.it/progetti/accordo-attuativo-regione-lombardia/) eine vergleichende Analyse durchgeführt, mit der ein Beitrag zur Diskussion über die Entwicklung der europäischen Bergregionen geleistet werden soll (https://www.euromontana.org/wp-content/uploads/2021/10/StefanoSala_GovernanceStudy.pdf).
Die Studie
UNIMONT ha eine Untersuchung der Governance in acht europäischen Ländern durchgeführt, davon sechs Mitgliedsländer der Union (Frankreich, Italien, Österreich, Rumänien, Spanien, Zypern) und zwei Nicht-EU-Länder (Norwegen und Schweiz). Im Mittelpunkt der Studie standen die prioritären Maßnahmen, die in verschiedenen Fallbeispielen in den jeweiligen Berggebieten ermittelt wurden. Ziel ist es letztendlich zu erkennen, ob die unterschiedlichen Ansätze zu einer kohärenteren ortsbezogenen (place-based) Entwicklung geführt haben, die in der Lage ist, eine Diversifizierung von Gesellschaft und Wirtschaft sowie eine Förderung von Ad-hoc-Entwicklungsprozessen in den verschiedenen Regionen hervorzubringen.
Derzeitige Veränderungen in der Governance der Berggebiete
Da die Entscheidungszentren immer in städtischen Gebieten und in großer Entfernung von den Bergregionen lagen, waren diese im Allgemeinen erst seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts Gegenstand gezielter politischer Maßnahmen. Dieser Sachverhalt hat die Entwicklung von Wirtschaftsmodellen begünstigt, die den Besonderheiten dieser Gebiete in keiner Weise angemessen waren und sie zu „Lieferanten“ von Rohstoffen und Dienstleistungen für das Ökosystem machten und die Krisenfestigkeit vor Ort außer Acht ließen. Unter den analysierten Ländern war Frankreich eines der ersten, das gezielt einen gesetzlichen Rahmen für die Governance und die Entwicklung dieser Gebiete geschaffen hat.
Aus der Analyse geht hervor, dass sich heute in verschiedenen europäischen Ländern und Regionen wie Schweiz, Frankreich, Zypern, Italien und Rumänien ein Wandel hin zu einem neuen Paradigma der Berggebiete vollzieht, wobei sich in jüngerer Zeit die Bereitschaft zu einer ortsbezogenen Herangehensweise herausbildet. Da die Berggebiete mit Blick auf die derzeitigen gesellschaftlichen Veränderungen und den Klimawandel besonders anfällig und vulnerabel sind, berücksichtigt die neue Methodik auch diese Aspekte.
Bei der Entwicklung der Governance für diese Gebiete erlangen daher smarte Strategien zur Verringerung der Entfernungen und Förderung des Dialogs zwischen Akteuren und Institutionen auf unterschiedlichen Ebenen eine grundlegende Bedeutung; ebenso, wie im Fall von Frankreich und der Schweiz, die Umsetzung einer multisektoralen, integrierten Politik oder, wie im Beispiel der österreichischen Bundesländer, die territoriale Koordination.
Für die Entwicklung erfolgreicher Strategien müssen die Berggebiete ins „Zentrum“ rücken
Diese Strategien können nur glücken, wenn die Berggebiete auch in der öffentlichen Wahrnehmung und im Denken der Bürgerinnen und Bürger „zentral“ werden. Sie müssen attraktiv werden für Investitionen, mit denen die Naturressourcen vor Ort zum Nutzen der gesamten Gesellschaft in Wert gesetzt werden, statt dass mit Fördermitteln Trends und Erscheinungen, die langfristig zum Scheitern verurteilt sind, gestützt werden.