Auf Hochdruck arbeiten die Forstgärten des Landes an Jungpflanzen für Südtirols geschundene Wälder. Dennoch wird die Heilung dauern.
Im Forstgarten kurz hinter Welsberg brennt an diesem Tag Ende Juni die Sonne auf eine Gruppe von Forstarbeiterinnen herunter. Kniend befreien sie eine Reihe kleiner Baumsetzlinge vom Unkraut. Die Lärchensprösslinge wachsen seit 3 Wochen in diesem geschützten Umfeld auf 1.100 Höhenmetern. Auf einer Fläche von rund 3 Hektar wird mit Geduld, Hingabe und Fleiß der Baumnachwuchs gehegt. Dieser soll in den kommenden Jahren eingepflanzt werden. Bekanntlich hatte Sturm Vaia Ende Oktober 2018 tausende Bäume entwurzelt und zahlreiche Wälder beinahe vollständig verwüstet. Nun, nachdem der anfängliche Schock überwunden ist, konzentriert man sich in den Forstgärten mit Hochdruck darauf, diese tiefe Wunde langsam wieder zu schließen.
300.000 Jungpflanzen auf 3 Hektar
Stefan Burger, der stellvertretende Direktor des Forstinspektorats Welsberg, ist optimistisch: „Auf diesen 3 Hektar haben wir 300.000 Jungpflanzen. Jedes Jahr können an die 100.000 an ihrem definitiven Standort eingepflanzt werden. Unsere Arbeiter leisten einen tollen Job, der unter anderem das Sammeln der Samen und die Pflege der Setzlinge bis zum 4./5. Lebensjahr umfasst. Erst dann ist der Baumnachwuchs kräftig genug, um in die Wälder eingepflanzt zu werden und kann den schwierigen Bedingungen durch andere Vegetation oder Wettereinwirkungen Stand halten.“ Die Arbeiten hierzu koordiniert Elisabeth. „Ich arbeite bereits seit dem Jahr 1989 hier“, erklärt die Forstarbeiterin. Ihr Blick und ihr Auftreten zeigen, dass sie weiß, wovon sie spricht. „Gleich nach dem Sturm“, sagt Vizedirektor Burger, „haben unsere Mitarbeiter die Zapfen der entwurzelten Bäume eingesammelt. Mit einer Art Mühle wurden daraus die Samen gewonnen. Dann wird die Saatgutauswahl getroffen: Die Besten werden eingepflanzt, die zweite Wahl hingegen wird verworfen.“ Der Forstgarten kann Setzlinge in den unterschiedlichen Entwicklungsstufen vorweisen. Erstaunlich ist, dass sich 3 Wochen alte Setzlinge mit ihrer Höhe von 1,5 cm nicht so stark unterscheiden von ein- bis zweijährigen Bäumchen, die nur 7-8 cm groß sind. „Am Anfang wachsen die Setzlinge schnell, dann jedoch geht das Wachstum nur mehr langsam weiter“, erklärt Elisabeth. Sie sorgt unter anderem dafür, dass die Setzlinge unkrautfrei wachsen können. Rund 3 Stunden haben die Arbeiterinnen für ca. 30 Meter Unkrautentfernung benötigt – eine oftmals ungesehene Arbeit, ohne die jedoch die Aufzucht neuer Lärchen nicht erfolgreich wäre.
Christbäume sind 20 Jahre alt
Am Ende des 2. Jahres sind die Pflanzen bereit, um mit einigen Metern Abstand verpflanzt zu werden. Aus den „Büscheln“ können weitere Pflanzen gewonnen werden. Allerdings gab es in diesem Jahr Spätfrost, wodurch die Spitzen vieler Bäumchen „verbrannten“, sich verdoppelten und daher weggeworfen werden mussten. „In der freien Natur würden diese Bäume nur schlecht wachsen“, erklärt Burger. Erst nach 5 Jahren erreichen die Tannen eine Höhe von 45 bis 50 cm. Dann wird auch für den einfachen Betrachter sichtbar, wie schön, stark und „mächtig“ diese kleinen Pflanzen sind. Auf die Frage, wie alt denn eigentlich ein durchschnittlicher Christbaum mit einer Höhe von 1,5 m sei, antwortet Burger: „Rund 20 Jahre!“. Es ist ein Geheimnis der Marktwirtschaft, wie ein solches natürliches Gut lediglich 35 bis 40 Euro kosten kann.
Wald-Genesung dauert 150 Jahre
Die 5-jährigen Bäumchen verbleiben weiter im geschützten Umfeld des Forstgartens. Sie müssen sich folglich auch noch nicht dem „Kampf“ mit Hirschen und Rehen stellen. „Diese Bäume werden vorerst noch nicht in jene Zonen verpflanzt, in denen Sturm Vaia gewütet hat. Dort müssen erst die richtigen Voraussetzungen geschaffen werden, zudem ist momentan das Risiko eines Schädlingsbefalls zu hoch. In diesen Hängen werden wir erst in ein paar Jahren wieder Bäume einsetzen können, dabei werden an die 2.500 Stück pro Hektar gepflanzt“, erklärt Burger. Bis die Wälder in den Sturmgebieten jedoch wieder so aussehen wie vor Vaia, wird noch einige Zeit vergehen: „Unsere Setzlinge erreichen in etwa 150 bis 200 Jahren die Größe jener Bäume, die vom Sturm gefällt wurden“, gibt der stellvertretende Direktor des Forstinspektorats Welsberg zu bedenken.
von Fabio Gobbato
Fotos: Ivo Corrà